Viele dachten, Richard sei der Chef
Richard König (81) arbeitet seit 60 Jahren bei Sperger Stoffe und fehlte in dieser Zeit nur zwei Mal.
„Wenn man etwas gerne tut, gesund ist und der Job abwechslungsreich ist, dann macht die Arbeit Freude“, erzählt der 81-jährige Richard König. Er hat in seiner über 60-jährigen Zeit in der Firma Sperger nur zwei Mal gefehlt. Einmal beim Begräbnis seiner Mutter und ein anderes Mal, als er auf Kur in Bad Gastein war. „Da war ich allerdings froh, dass ich nach diesen drei Wochen endlich wieder zur Arbeit gehen konnte“, so der rüstige Senior. Er ist landauf, landab bei vielen Geschäftsleuten bekannt, da er jahrzehntelang Altpapier, Alteisen und Stoffreste bei unterschiedlichsten Firmen eingesammelt und auf den Lkw verladen hat. Die weiblichen Kundschaften von Sperger Stoffe kennen ihn vor allem vom Lagerverkauf, der wöchentlich am Freitag und Samstag stattfindet. „Das ist mittlerweile meine Kernaufgabe“, sagt er.
1962 eingestellt
Als Richard König als 20-Jähriger aus Oberösterreich nach Lustenau zog, fand er Arbeit bei der hiesigen Firma Sperger Stoffe. „Hans Sperger hat mich 1962 eingestellt. Wir waren zu dritt. Der Chef, ich und die Sekretärin.“ Sein damaliger Arbeitgeber wechselte dann in die Politik, sein Sohn Hubert Sperger übernahm die Firma. „Ich habe mich mit Hubi sehr gut verstanden. Wir haben immer gesagt, wenn einer geht, hört der andere auf“, so Richard König.
Als dann Hubert im Jahr 2004 verstarb, wollte auch Richard König aufhören. „Das hatten wir ja ausgemacht.“ Doch Huberts Frau, die Senior-Chefin Veronika Sperger, überzeugte ihn zu bleiben. „Ohne Richard hätte ich nicht weitermachen können. Er kennt die Firma und deren Abläufe, als ob es seine eigene wäre“, so Veronika Sperger. Und so blieb Richard König und unterstützte seine Senior- Chefin weiterhin in der Firma. Nun ist auch Veronika Sperger mittlerweile in Pension, Richard arbeitet allerdings noch immer in „seiner“ Firma. Bis Weihnachten hat er noch 40 Stunden in der Woche mitgeholfen, nun denkt er langsam daran, etwas zu reduzieren.
Neues aus Stoffresten
Wurden früher Altpapier und Alteisen von ihm sortiert und wiederverwertet, so sind es nun mittlerweile ausschließlich alte Stoffreste, die in Putzlappen umgewandelt werden. „Früher bin ich oft zu den Textilfirmen gefahren und habe dort ihre Stoffabfälle oder nicht korrekte Waren mitgenommen. Wir haben ihnen ein zweites Leben eingehaucht und sie zu Putzlappen verarbeitet“, so Richard König. Sperger Stoffe hat dafür schon immer soziale Institutionen wie Langzeitarbeitslose oder Häftlinge engagiert, die die Stoffreste zuschneiden. „Von Gasser Kindermoden in Dornbirn habe ich Jersey-Stoffe erhalten, die wurden zu hervorragenden Putzlappen verarbeitet“, erinnert er sich.
Viele Frauen besuchten damals regelmäßig den Lagerverkauf. Und auch heute noch kann er auf den Besuch seiner Stammkundschaften zählen. „Wenn Richard einmal nicht beim Verkauf ist, fragen mich die Frauen besorgt, ob es ihm schon gut gehe“, erzählt die heutige Chefin Nicole Fröwis mit einem Schmunzeln. Er wird für viele Kundschaften mit der Firma Sperger gleichgesetzt. „Viele dachten, dass Richard der Chef ist“, erinnert sich Veronika zurück.
Sie schätzt an ihrem langjährigen und treuen Mitarbeiter seinen Einsatz. „Ohne ihn hätte ich die Firmenübernahme nach dem Tod meines Mannes nicht geschafft“, sagt sie dankbar. Noch heute wuselt er durch die Firma, räumt Stoffe, Spitzen, Stickereien und Bänder hin und her und bereitet jede Woche aufs Neue den Lagerverkauf vor. Für seine Kundinnen hat er sogar Türkisch gelernt. „Ich möchte alle meine Kunden optimal betreuen können“, betont er mit einem Lächeln. Nun wird er etwas kürzertreten und die Zeit mit seiner Familie verbringen.